Das Jahresbankett der Totengräber
Der vielfach ausgezeichnete Autor Mathias Énard wurde 1972 in Niort im Département Deux-Sèvres geboren. Dort, hauptsächlich in dem fiktiven Dorf La Pierre-Saint-Christophe (46°25“25,4“N und 0°31“29,3“W), spielt auch sein Roman „Le banquet annuel de la confrérie des fossoyeurs“, bei dessen Übersetzung ins Deutsche es die „Bruderschaft“ (confrérie) nicht in den Buchtitel geschafft hat, hoffentlich sind die fast 500 Seiten des Buches besser übersetzt. Für eine Dissertation über das Leben auf dem Land im 21. Jahrhundert zieht der junge Pariser (Möchtegern-Star-) Anthropologe David Mazon aufs Dorf, um Sitten und Bräuche der Landbevölkerung zu erforschen. In seiner etwas heruntergekommenen Unterkunft im Bauernhof von Gary und Mathilde, die er „Das wilde Denken“ tauft, macht er bald Bekanntschaft mit dem Land in Form des misstrauischen Hofhunds, von Würmern und Schnecken im Bad sowie zwei Katzen (von ihm Nigel und Barley genannt), die sich g erne bei ihm breitmachen. Mit dem klapprigen Moped „Jolly Jumper“ erkundet er die verschneite Umgebung und lernt – v.a. in der Dorfkneipe - die Einheimischen kennen, zum Beispiel den Bürgermeister Martial Pouvreau, der als Bestatter arbeitet, den abgedrehten Künstler Max oder die spröde Lucie, die Biogemüse und -obst anbaut und David als Babysitter für ihren gebrechlichen Opa und ihren behinderten Cousin missbraucht. Mehr als David zunächst lieb ist, wird er vom Beobachter zum Teilnehmer am Dorfgeschehen. Nach einem eisigen Wintermonat bricht der erste, in Tagebuchform geschriebene Teil des Buchs jedoch unvermittelt ab und Énard wechselt in die auktoriale Erzählperspektive, wobei er u.a. tief in die Historie der Gegend eintaucht. Höhepunkt ist die Schilderung des Jahresbanketts von 99 Totengräbern aus der Region, einer Orgie der Völlerei, des hemmungslosen Saufens sowie ausufernder Tischreden und philosophischer Betrachtungen. Im letzten Kapitel kehrt Énard wieder zum Tagebuch Davids zurück, der mittlerweile seine Dissertation durch ein alternatives Projekt ersetzt hat… Kaum eine Literatursendung im deutschsprachigen TV kam an diesem Buch vorbei, die Begeisterung hielt sich aber meist in Grenzen. Dieses „…große heitere Kunststück, das gutwillige und mitunter hartnäckige Leser braucht.“ (Hubert Winkels in der SZ) hat wohl so manchen Kritiker schlicht überfordert, doch wer hartnäckig bleibt, wird mit diesem atemberaubenden Rausch der Sprache letztendlich reich belohnt.Handlungsorte
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