Rumänische Reise
1965 war der Soziologe Nicolaus Sombart, seit 1954 Beamter beim Europarat in Straßburg, maßgeblich an der Gründung eines „Vereins für Zukunftsforschung“, einer NGO, beteiligt. 1972 nimmt er am „Dritten Internationalen Konferenz für Zukunftsforschung“ in Bukarest teil, wo er einen Vortrag über den utopischen Revolutionär Charles Fourier (1772-1837) halten will. Die Reise dorthin, bei der er von seiner Freundin Isabelle begleitet wird, ist zugleich eine Reise in das Leben seiner Mutter, Corinna Léon, rumänische Professorentochter aus einem Grafengeschlecht, die eine Karriere als Wissenschaftlerin vor sich hatte, dann aber plötzlich nach Berlin fortging, wo sie seinen Vater, den berühmten, erheblich älteren Professor Werner Sombart heiratete. Der tagebuchartige Reisebericht beschreibt zum einen den Besuch diverser historischer Orte, oft im Zusammenhang mit Sombarts Familienhintergrund, und das Zusammentreffen mit Verwandten, Freunden und Verehrern seiner Mutter sowie rumänischen Funktionären, zum anderen befasst er sich mit den Theorien Fouriers über das Glück und die Emanzipation in einer freien, egalitären Gesellschaft – ein ironischer Gegensatz zur politischen Realität im kommunistischen Rumänien. Daneben geht es immer wieder um Sombarts Phantasie, mit Isabelle und einer zweiten Frau einen „Dreier“ zu erleben, wozu er insbesondere im Bukarester Hotel nach einer geeigneten jungen Prostituierten Ausschau hält, aber auch seine etwa 14 oder 15jährige rumänische Nichte Roxane erscheint ihm prinzipiell dafür geeignet. Gegen Ende des Berichts erfährt man sogar, dass er die Reise „allein deswegen unternommen hatte. … Mein Seelenheil hing davon ab.“ Die libertären Theorien Fouriers dienen dabei lediglich zur Rechtfertigung seiner sexuellen Gelüste, was er immerhin offen zugibt: Es gäbe „keinen Mann, der nicht von der Phantasie verfolgt würde, es gleichzeitig mit zwei Frauen zu treiben. … Schwestern, Cousinen oder Schwägerinnen, oder ganz einfach zwei Freundinnen, im Zweifelsfall Mutter und Tochter. … Mit der Mißachtung dieses Tabus beginnt die sexuelle Emanzipation ...“. Das findet „seine natürliche Ergänzung im ebenso natürlichen und starken Wunsch der Frau, sich gleichzeitig von zwei Männern (oder einem Paar) lieben zu lassen.“ Letztendlich hätte ihm allerdings seine Mutter (auf Geheiß ihres Vaters hatte sie damals in Rumänien das Verhältnis mit ihrer großen Liebe, ihrem Schwager, dem Mann ihrer älteren Schwester, beendet) „…ihren Haß und ihre Traurigkeit eingeflößt, die Entschlossenheit, die bürgerliche Moral herauszufordern, die Vernunftehe zu profanieren, das monogame Paar zu sprengen … neue Formen der Liebe zu erproben …“. - Alexander Cammann meinte dazu in einem Nachruf auf Nicolaus Sombart: „Die für viele Leser schwer erträgliche Zurschaustellung von Sombarts eigenen sexuellen Obsessionen beruht im Grunde auf einem Missverständnis: An ihnen ist sicher mehr Dichtung als Wahrheit. Der linke, gänzlich undeutsche Dandy Sombart kokettierte mit einem von den französischen Surrealisten oder George Batailles inspirierten obszönen Phantasiehaushalt.“ (Tagesspiegel, 2008)Handlungsorte
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