Frank Schulz

im Gespräch über gute Böden für Romane

Herr Schulz, die beiden ersten Bände Ihrer Hagener Trilogie spielen in der Großstadt  Hamburg und dem kleinen Dorf Hagen bei Stade an der Unterelbe. Das sind zwei recht unterschiedliche Schauplätze.

Die drei Romane handeln von einer Handvoll Figuren, die auf dem Land aufgewachsen sind und in der Stadt erwachsen werden. Und dieser Bruch in der Biographie spielt bei all diesen Figuren eine Rolle. Da sind also einerseits die beengte Heimat in der Jugend und später dann die Kultur und Anonymität der Großstadt auf der anderen Seite. Diese Orte meiner eigenen Biographie gaben mir den Impuls für die Bücher und wurden das große Thema der gesamten Trilogie.

Ist es mehr ein Stadt-Land-Gegensatz oder gar ein Konflikt?

Im zweiten Roman Morbus fonticuli ist es ein Land-Stadt-Konflikt, der sich so zuspitzt, dass der Ich-Erzähler in der Stadt überfordert ist und wieder zurück aufs Land geht. Ein wenig wie in einem Schelmenroman, nur dass sich mein Schelm die kulturell beengten Verhältnisse zurückwünscht. Und das kann nicht gut gehen…

Und der Elbtunnel trennt diese beiden Welten der Protagonisten.

Ja. Für mich ist es eine gute Metapher. Der Elbtunnel ist ein Nadelöhr und trennt zwei sehr unterschiedliche Sphären. Man fährt ja nur eine Stunde mit dem Auto, aber es sind zwei Welten und auch ich war lange zwischen diesen Welten hin und her gerissen. Schon als junger Mann fand ich die Anonymität der Stadt attraktiv. Und gleichzeitig hat sie auch Nachteile. Je nachdem, was ich brauchte, verbrachte ich meine freie Zeit auf dem Dorf oder in Hamburg. Dabei war der Elbtunnel jeweils das Tor zur anderen Welt.

Hatten Sie Angst, dass der Gegensatz Ihrer Kulissen zu klischeehaft wirken könnte?

Ja, klar. Ich hoffe, es ist mir gelungen, die klischeehaften Untiefen zu umschiffen. Aber ich stelle auch fest, dass die unterschiedlichen Soziotope heute vielmehr ein literarisches Thema sind als noch vor zwanzig Jahren, als ich anfing, an der Trilogie zu arbeiten.

Im letzten Teil Das Ouzo-Orakel taucht dann ein griechischer Ort auf.

Das griechische Dorf Ammoudia ist die Vorlage für das fiktive Kouphala. Es ist ein Ort, an dem ich seit 20 Jahren meinen Urlaub verbringe, wodurch es eine zweite Heimat für mich und meine Frau geworden ist. Und erst nach und nach ist mir aufgegangen, dass der Ort in einer mythologisch aufgeladenen Region liegt. Im Nachbarort gibt ein historisches Totenorakel. Und der Ort liegt am Fluss Acharon, einer der drei Flüsse, die zum Totenreich Hades führen. Es ist also ein besonders guter Boden für einen Roman.

Haben Sie sich daraufhin noch intensiver mit der Landschaft auseinandergesetzt?

Als ich intensiv vor Ort recherchiert habe, habe ich mich dem Ort und der Landschaft auf eine neue Art genähert. Die Herausforderung bestand darin, die Schönheit irgendwie in Sprache zu kleiden, denn die Landschaftsbeschreibungen lagen mir besonders am Herzen. So erschienen mir zum Beispiel die Berge dort gleichzeitig männlich und weiblich: muskulös, schroff und dabei voller Rundungen. So etwas wurde mir erst durch die besondere Beobachtung klar.

Interview © Jens Nommel 12/2008

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»Landschaft wird erst schön, wenn
Dichter sie beschreiben.«

Marcel Reich-Ranicki

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