Cornelia Funke

im Gespräch über Ligurien als Hauptrolle, die ideale Kinderstadt Venedig und die Zukunft im paradiesischen Los Angeles

Photo © M. Nommel

Frau Funke, Sie haben in Ihren Büchern viele fremde Welten erschaffen. Sie haben aber auch reale geographische Kulissen für Ihre Geschichten benutzt. Welche sind das?

Beim Drachenreiter habe ich noch mit Reiseführern und Interviews mit Freunden gearbeitet, die in den jeweiligen Ländern gelebt haben. Für diese Geschichte bin ich also leider an keinem der Orte gewesen, die ich beschrieben habe, mit Ausnahme der Dolomiten.
Den Herrn der Diebe habe ich dann aber mit Venedig in einer Stadt spielen lassen, die mich immer sehr beeindruckt hat und die ich durch zwei Reisen dorthin kannte. Allerdings habe ich nachher viele Detailinformationen durch Literatur hinzugearbeitet, oder Freunde, die gerade in Venedig waren, gebeten, mir noch ein Photo nachzuliefern. Das war das erste Mal, dass ein Ort wirklich eine Hauptrolle in einem Buch spielte und ein eigener Charakter war. Bei Tintenherz habe ich es wieder so gemacht, dass ein Ort, Ligurien, eine Hauptrolle spielt. Interessanterweise scheint es so zu sein, dass diese Orte immer erst nach einigen Jahren so im Inneren reifen, dass man sie als Ort einer Geschichte benutzt. Momentan bin ich in der Planung zweier Geschichten, von denen eine in Irland und die andere in Englandspielt, zwei Länder, die mir sehr viel bedeuten und die ich schon oft besucht habe. All diese Reisen, die mich dann zu Geschichten inspirieren, habe ich aber nie zu diesem Zweck unternommen. Es war bislang noch nie so, dass ich irgendwo hingefahren bin, weil ich mir dachte, es könnte ein guter Ort für eine Geschichte sein. Bislang wartete die Geschichte immer als Überraschung auf mich.

Die beiden Waisenkinder in Herr der Diebe kommen aus Hamburg. Sie lassen sie bis nach Venedig reisen. Ist Venedig eine Stadt, in der man besonders gut abtauchen kann? Oder hätte es beispielsweise auch München sein können?

Nein, es musste Venedig sein. Keine andere Stadt ist so offensichtlich magisch und wirklich zugleich. Aber entdeckt habe ich es durch eine Reise mit meinem Mann, und die Geschichte vom Herrn der Diebe habe ich erst dort gefunden. Es ist so eine ideale Stadt für Kinder. Kein Verkehr, und die ganze Stadt ist ein Labyrinth zum Versteckenspielen, Venedig ist ein gebautes Abenteuer und keins der Kinder, die mit dem Buch nach Venedig gefahren sind, war bislang enttäuscht. Ich bekomme sehr viel Post und Photos von Kindern, die nur nach Venedig reisen, um dort die Orte zu finden, die sie vom Herrn der Diebe kennen.
Ich versuche immer, Bücher an Orten spielen zu lassen, an die die Kinder auch wirklich reisen können. Sie können nicht nach Hogwarts fahren oder nach Mittelerde, aber nach Venedig.

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